AKW Saporischschja
Das von russischen Truppen besetzte AKW Saporischschja wird kaut Enerhoatom derzeit über Dieselgeneratoren notversorgt.

Wieder externe Stromzufuhr für AKW Saporischschja

In der Südukraine ist die externe Stromversorgung des von russischen Truppen besetzten Atomkraftwerks Saporischschja wieder hergestellt worden. Damit könne das Kraftwerk wieder Strom aus dem ukrainischen Netz beziehen, teilte der staatliche Energieversorger Ukrenerho am Donnerstag in sozialen Netzwerken mit. Die Unterbrechung der Stromzufuhr durch russische Raketenschläge habe zuvor dazu geführt, dass die Pumpen für das Kühlsystem der heruntergefahrenen Reaktoren mit Dieselgeneratoren betrieben werden mussten. Die russischen Besatzungsbehörden hatten wiederum Kiew eine gezielte Abtrennung vorgeworfen.

Das mit sechs Blöcken und einer Leistung von 6000 Megawatt größte Atomkraftwerk Europas steht nach dem russischen Einmarsch seit gut einem Jahr unter russischer Kontrolle. Alle Reaktoren sind inzwischen abgestellt und werden nur noch gekühlt und überwacht. Vorfälle mit Artilleriebeschuss hatten international die Sorge vor einer Atomkatastrophe genährt.

Der ukrainische Energieminister Herman Haluschtschenko sprach am Donnerstag auf Facebook von einem «barbarischen, massiven Angriff» der Russen. Neben Saporischschja waren seit den frühen Morgenstunden auch andere Landesteile mit Raketenschlägen überzogen worden, darunter auch die Hauptstadt Kiew. Die Regionen Odessa und Charkiw berichteten ebenfalls von Angriffen auf Energieanlagen und infolge dessen von Stromausfällen.

IAEA-Chef drängt wegen Notbetriebs zur Eile

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) zeigte sich wegen des erneuten Ausfalls der regulären Stromversorgung im ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja alarmiert. Dies sei bereits das sechste Mal, dass Europas größtes Atomkraftwerk wegen des Krieges auf Notversorgung durch Diesel-Generatoren umstellen müsse, sagte IAEA-Chef Rafael Grossi vor dem IAEA-Gouverneursrat in Wien. «Jedes Mal würfeln wir. Und wenn wir das immer wieder tun, dann wird uns eines Tages das Glück verlassen», warnte Grossi. So dürfe es nicht weitergehen. Es sei höchste Zeit, eine Sicherheitszone rund um das Kraftwerk einzurichten. Er werde seine entsprechenden Bemühungen fortsetzen, sagte Grossi. Atomkraftwerke sind zum sicheren Betrieb auf verlässliche Stromversorgung angewiesen.

In einer gemeinsamen Erklärung forderten zahlreiche Staaten des IAEA-Gouverneursrats Russland auf, das AKW zu verlassen. «Die Risiken am Kraftwerk bleiben gefährlich hoch, solange sich russisches militärisches Personal und Rosatom-Personal dort aufhält», heißt es in der unter Federführung Kanadas entstandenen Erklärung, die auch von Deutschland unterstützt wird.

Mehrere Regionen ohne Strom

Nach den Raketenangriffen ist in mehreren Regionen der Strom ausgefallen. Der Bürgermeister der Großstadt Charkiw im Osten des Landes, Ihor Terechow, sagte im Fernsehen: «In der gesamten Stadt gibt es keinen Strom. Daher sind wir bei Objekten der kritischen Infrastruktur und den medizinischen Einrichtungen zu Generatoren übergegangen.» Es gebe in Charkiw auch kein Wasser, und die Heizung funktioniere nicht.

Die Stadt wurde von mindestens elf Raketen getroffen. Gouverneur Oleh Synjehubow stellte in Aussicht, dass Wasser- und Wärmeversorgung in wenigen Stunden wieder funktionierten.

Raketeneinschlag in Wohngebiet: Mehrere Tote in Lwiw

Bei der jüngsten russischen Angriffswelle sind im Westen des Landes mehrere Menschen getötet worden. In der Region Lwiw sei im Ort Solotschiw eine Rakete in einem Wohngebiet eingeschlagen, woraufhin ein Feuer ausgebrochen sei, teilte Gouverneur Maksym Kosyzkij auf Telegram mit. Mindestens fünf Menschen seien getötet worden - drei Männer und zwei Frauen, fügte er hinzu.

In der Hauptstadt Kiew sprach Bürgermeister Vitali Klitschko von mehreren Verletzten. Außerdem seien rund 40 Prozent der Kiewer infolge der Angriffe derzeit ohne Heizung, schrieb er auf Telegram. In einem Interview der «Bild»-Zeitung sagte Klitschko zudem, Kiew sei sowohl mit Kampfdrohnen, als auch mit verschiedenen Raketentypen angegriffen worden. Dabei lobte er explizit die deutsche Militärhilfe: «Dank deutscher Iris-T-Raketenabwehr konnten in Kiew alle Angriffe bis auf einen abgewehrt werden, durch den kritische Infrastruktur beschädigt wurde.»

Ukraine-Krieg
Polizisten inspizieren in Kiew ein Auto nach einem Raketenangriff.

Kiews Militär-Verwaltungschef Serhij Popko teilte derweil mit, die Russen hätten bei den Angriffen auch die Hyperschall-Rakete «Kinschal» eingesetzt. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau, Igor Konaschenkow, bestätigte den Einsatz der Raketen. Die Attacke habe auf die militärische Infrastruktur, Unternehmen der Rüstungsindustrie und Energieanlagen gezielt, die die Betriebe mit Strom versorgen.

Selenskyj spricht von «schwerer Nacht»

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den massiven russischen Raketenangriff auf sein Land verurteilt und den Angehörigen der Opfer sein Beileid ausgesprochen. «Es war eine schwere Nacht», schrieb Selenskyj auf seinem Telegram-Kanal. Seinen Angaben zufolge feuerte Russland insgesamt 81 Raketen ab. Landesweit habe es Einschläge und «leider auch Verletzte und Tote» gegeben.

Die Russen seien zu «ihrer kläglichen Taktik» zurückgekehrt, schrieb Selenskyj weiter: «Die Okkupanten können nur die Zivilbevölkerung terrorisieren. Das ist alles, wozu sie fähig sind.» Das werde ihnen aber nicht helfen, den Krieg zu gewinnen, so der 45-Jährige.

Moskau nennt neue Angriffe auf Ukraine «Rache»

Russland hat die schweren Raketenangriffe als Reaktion auf Gefechte in der russischen Grenzregion Brjansk gerechtfertigt. «Als Antwort auf die am 2. März vom Kiewer Regime organisierten Terrorakte im Gebiet Brjansk haben die russischen Streitkräfte einen massiven Racheschlag geführt», sagte Konaschenkow in Moskau.

Zurück

{file::popup_2024-02_KC_geschlossen.html5}