Stockender Windkraft-Ausbau beschäftigt Regierung und Justiz
Mit dem stockenden Ausbau der Windkraft im Nordosten haben sich am Dienstag das Oberverwaltungsgericht in Greifswald (OVG) sowie die Landesregierung in Schwerin befasst. In der Landeshauptstadt präsentierten Wirtschaftsminister Reinhard Meyer und Landwirtschaftsminister Till Backhaus (beide SPD) einheitliche Regeln für die Ausweisung von geeigneten Flächen, mit denen die Regierung den Windenergie-Ausbau ankurbeln will. Das OVG verhandelte drei Untätigkeitsklagen, die Windkraft-Planer gegen die Genehmigungsbehörde eingelegt hatten. Laut dem Gericht liegen 13 Untätigkeitsklagen vor.
In einem Fall entschied das Gericht am Dienstag, dass das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt über den Genehmigungsantrag für eine Windkraftanlage in Mühlen Eichsen (Nordwestmecklenburg) entscheiden muss. Die Denkmalpflege hatte widersprochen und das Amt daraufhin nicht entschieden. Das Gericht stellte nun jedoch klar, dass der Kläger einen Anspruch darauf habe. Außerdem beschied das Gericht, dass der Denkmalschutz hinter dem großen öffentlichen Interesse an der Errichtung von Windkraftanlagen zurückstehen müsse.
Der Vorsitzende Richter Klaus Sperlich sprach bei der ersten Verhandlung von einer Art Pilotverfahren, weil es hier besonders um Fragen des Denkmalschutzes gehe. Dieser wurde von Vertretern der Windkraftbranche im Nordosten zuletzt als großes Hindernis ausgemacht.
Eigentlich sieht das entsprechende Bundesgesetz Fristen von sieben und bei vereinfachten Verfahren von drei Monaten vor. Die nun verhandelten Verfahren reichen bis 2020 beziehungsweise 2018 zurück. Es ging vor allem um das Zusammenspiel der zuständigen Genehmigungsbehörde - in diesem Fall das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Westmecklenburg (Stalu) - und das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege (LAKD) als Fachbehörde für Denkmalschutz.
Diese hatte zunächst Bedenken geäußert, etwa weil eine geplante Anlage den Anblick des Gutshauses Mühlen Eichsen stören könnte. Später hatte sich das LAKD lange gar nicht mehr geäußert - bis einen Tag vor der Gerichtsverhandlung am Dienstag. Das zuständige Landeskulturministerium stellte klar, das Stalu könne auch ohne Stellungnahme der Denkmalschützer oder auch entgegen deren Empfehlung entscheiden. Dies geschah aber nicht.
Eine Stalu-Vertreterin machte auf die angespannte Personallage in den Behörden aufmerksam. Das Stalu Westmecklenburg verfüge derzeit über neun Stellen, davon eine unbesetzt. Es ist eines von vier solcher Ämter in MV. Dem standen laut Schweriner Umweltministerium zuletzt 225 Antragsverfahren mit 990 Windkraftanlagen gegenüber.
Laut Landesregierung wird aktuell eine Liste an herausragenden Denkmälern im Land erstellt. In Zukunft sollen nur noch die hier aufgeführten Denkmäler in die Abwägung - gegenüber dem Ziel der Energiesicherheit - einbezogen werden. Das soll auch rückwirkend für strittige Verfahren Anwendung finden. Außerdem seien für das LAKD vier neue Stellen geschaffen worden. Auch die Staatlichen Umweltämter sollen 15 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten.
In Schwerin sagte Meyer, «wir haben jetzt klare, landesweit einheitliche, verbindliche Kriterien für Windenergiegebiete vorgegeben». Dies sei gerichtsfest, anders als die bisherige Praxis. Nun soll es bei regionalen Planungsverbänden schneller vorangehen. Das Land will beim Windkraftausbau zudem eine Unwucht in den vier Verbünden vermeiden: «Jeweils 2,1 Prozent der Regionsfläche sollen ausgewiesen werden», so der Minister. Dies entspricht dem vom Bund vorgegebenen Anteil für ganz Mecklenburg-Vorpommern, der bis Ende 2032 erreicht werden soll. Zwischenziele soll es hierbei nicht geben.
Das Landwirtschafts- und das Wirtschaftsministerium haben schon durchgerechnet, wie viel Flächen im Land ihren Kriterien entsprechen. Das Ergebnis: 4,43 Prozent des Landes wären theoretisch als Flächen für Windkraftanlagen geeignet. Die Planungsverbände haben der Landesregierung zufolge Spielraum, um regionale Bedingungen und Prioritäten zu berücksichtigen.
Dem Kriterienkatalog zufolge soll unter anderem ein Abstand der Windkraftanlagen von einem Kilometer zu Siedlungen und 800 Meter zu Einzelhäusern gewahrt bleiben. Ausgespart bleiben den Plänen zufolge zudem Natur-, Landschafts- und Moorschutzgebiete. Auch der Artenschutz, Sicherheitskriterien für Hochwasser, Küsten und Trinkwasser sowie kritische Infrastruktur sind enthalten. Bis Ostern sollen Planungsverbänden zudem weitere sogenannte Abwägungskriterien an die Hand gegeben werden, mit denen aus Sicht der Minister letztlich die Eignungsgebiete ausgewählt werden.
Dass diese noch nicht vorliegen, kritisierte der energiepolitische Sprecher der Grünen im Schweriner Landtag, Hannes Damm. Es handele sich um Stückwerk. In Greifswald stand für ihn auch die Landesregierung in Greifswald vor Gericht. Sie habe es seit Jahren nicht geschafft, die Verwaltungen handlungsfähig aufzustellen. Kritik kam auch von der AfD-Fraktion im Schweriner Landtag. Der umweltpolitische Sprecher Thore Stein monierte, es werde kaum noch Orte im Nordosten ohne hohe Windkraftanlagen geben. «Ein großer Verlust der Lebensqualität für Anwohner, aber auch für Touristen.»