Neubaur im Braunkohlegebiet - Dialog soll weitergehen
Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) hat bei einem Treffen mit Anwohnern der Braunkohletagebaue in Erkelenz weitere Gespräche angeboten. Es werde kurzfristig weitere Veranstaltungsangebote geben, sagte die Politikerin am Samstag bei einer teils sehr emotional geführten Dialogveranstaltung in Erkelenz. Sie sicherte zu, dass damit in Kauf genommen werde, mit der Leitentscheidung zur Zukunft des Gebietes erst nach Ende der Sommerferien zu Ende zu kommen.
Bislang ist geplant, dass die neue Leitentscheidung - die konkrete Abbauplanung am Braunkohletagebau - bis zu den Sommerferien vorliegen soll. Die Änderung erfolgt wegen des auf 2030 vorgezogenen Endes der Förderung und Verstromung von Braunkohle im Rheinischen Revier.
Die Ministerin war zum ersten Mal seit mehreren Monaten in der Region. Sie wurde von einer Gruppe von Demonstranten empfangen. «Ich bin saur - Frau Neubaur» stand auf einem Transparent, «5 Dörfer gerettet? Ein Bluff», auf einem anderen. Die Ministerin ging stumm an den Transparenten vorbei. Zu dem auch online übertragenen Dialogtermin waren an die 200 Menschen gekommen - weitere hatten sich angemeldet, aber keinen Platz bekommen.
Im vergangenen Herbst hatten die von Grünen-Politikern geführten Wirtschaftsministerien in Bund und Land NRW mit dem Energiekonzern RWE den vorgezogenen Ausstieg vereinbart. Fünf zur Stadt Erkelenz gehörende Dörfer am Tagebau Garzweiler können dadurch erhalten werden. Die von Klimaaktivisten besetzte Ortschaft Lützerath wird aber abgebaggert. Die Siedlung wurde Anfang Januar bei einem tagelangen Polizeieinsatz geräumt.
Neubaur verteidigte die Verständigung mit RWE. «Ich weiß, dass dieses zusätzliche Verbrennen von Braunkohle gerade für das Klima nicht gut ist», sagte sie. Es sei aber auch wichtig, Energieversorgungssicherheit zu haben und damit Arbeitsplätze zu erhalten. Man habe so schnell wie möglich ohne russisches Gas auskommen müssen, sagte sie und verwies auf das Abwenden einer möglichen Energieknappheit. Die Anwohner bat sie um Mithilfe, «dass wir wissen, worauf es ihnen ankommt».
In der Umgebung des Tagebaus liegen die Interessen der Anwohner teils weit auseinander. In den fünf Ortschaften, die nun doch erhalten werden sollen, sind 90 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner weggezogen. Manche wollen ihre alten Häuser zurückkaufen. Schon fünf Winter stehe sein altes Haus leer, es verfalle mehr und mehr, sagte ein Umsiedler, der es wiederhaben möchte. «Uns rennt die Zeit weg», sagte er. Die meisten Gebäude und Flächen gehören dem Energiekonzern RWE.
Ein Anwohner beklagte den «Kettensägen-Terror» eines von RWE beauftragten Unternehmens in den Grünanlagen im Dorf Keyenberg. Viele Bürger kritisierten den geplanten Abriss einer Verbindungsstraße zwischen zwei Dörfern.
Eine Frau aus dem Ort Kuckum, die noch in ihrem Haus wohnt, aber bald umziehen wird, rief sehr emotional: «Ich könnte es nicht ertragen, wenn jemand in meinem Haus wohnt!». Denn es sei ja nicht freiwillig verkauft worden, sondern weil es für den Bergbau in Anspruch genommen werden sollte. «Das Schicksal der fünf Dörfer ist das schwierigste, was zu lösen ist», sagte immer wieder die Leiterin der Landesplanung im NRW-Wirtschaftsministerium. Nicht jedes Haus werde erhalten werden können.
«Ich war sehr beeindruckt», sagte Ministerin Neubaur nach mehr als zwei Stunden Versammlung mit vielen Wortbeiträgen. Sie hörte meist zu und machte sich Notizen. Es gab auch Applaus.
Insgesamt geht es um eine Fläche von etwa 20 Quadratkilometern - ein großes Gebiet, das die Stadt Erkelenz als planende Behörde entwickeln möchte. Die 47 000-Einwohner-Stadt führt derzeit eine Bürgerbeteiligung zu Zukunftsvisionen durch. Etwa 1500 Vorschläge sind schon eingegangen. Der Rat will im Sommer beschließen, wohin die Entwicklung geht.