Erneute Vorwürfe gegen Regierung wegen Stiftungssatzung

Die Gründung der Klimastiftung MV wirft weitere Fragen auf. Nach Recherchen der «Welt am Sonntag» spielte das Gazprom-Tochterunternehmen Nord Stream 2 AG dabei möglicherweise eine größere Rolle als bislang angenommen. Die Zeitung bezieht sich auf einen ihr vorliegenden digitalen Datensatz zum Satzungsentwurf. In den Unterlagen finde sich als Verfasser der Name einer Wirtschaftskanzlei, die mehrfach für das Unternehmen tätig gewesen sei.

Die Klimastiftung MV steht in der Kritik, da sie den Fertigbau der Gaspipeline Nord Stream 2 unterstützt hat. Der Bau der Pipeline wurde abgeschlossen, doch ging sie wegen der russischen Aggression gegen die Ukraine nicht in Betrieb.

Die Vorgänge rund um die Klimastiftung sind derzeit im Nordosten Thema eines Untersuchungsausschuss des Landtages. Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel (SPD) wies die Vorwürfe am Wochenende zurück. «Landtag und Landesregierung haben eine eigene, unbeeinflusste Entscheidung für die Gründung der Klima- und Umweltschutzstiftung getroffen», teilte er am Samstag mit. Es habe keine Beeinflussung der eigenständigen Entscheidung von Landtag und Landesregierung durch Nord Stream 2 gegeben.

«Die Endfassung der Satzung ist weitgehend durch mich selbst in Vorbereitung der politischen Entscheidung über die Stiftungsgründung zusammengestellt worden», erklärte Pegel. «Dabei habe ich bei der Erarbeitung der Satzung unterschiedliche Anregungen wie Formulare und Vorlagen eingesetzt, die in meinen Satzungsentwurf eingeflossen sind.» Wie lange bekannt, habe es dabei Austausch mit Nord Stream 2 gegeben, ebenso mit dem späteren Stiftungsvorstandsvorsitzenden Erwin Sellering. Zwar sei er mit Vertretern von Nord Stream 2 in Kontakt gewesen, «mit einer Anwaltskanzlei aber im Rahmen der Stiftungsgründung zu keinem Zeitpunkt».

Scharfe Kritik an der Landesregierung kam von der Opposition. «Dass offenbar verschleiert werden sollte, wer hinter den Kulissen die Strippen gezogen hat, ist erschütternd», sagte der Grünen-Energiepolitiker Hannes Damm dem Blatt. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und ihr Kabinett hätten sich «zu Erfüllungsgehilfen russischer Machtnetzwerke gemacht». Die neuen Erkenntnisse nähmen einen Spitzenplatz «auf der Liste der Skandale rund um die Klimastiftung» ein.

CDU-Fraktionschef Franz-Robert Liskow sagte, «nach den neuesten Erkenntnissen wird immer deutlicher, dass die Idee für die Stiftung nicht aus Mecklenburg-Vorpommern stammt, sondern direkt aus Russland kommt». Die SPD werfe Nebelkerzen und lasse jeglichen Aufklärungswillen vermissen. «Gazprom beziehungsweise die Nord Stream 2 AG hat Frau Schwesig zur Durchsetzung geostrategischer Interessen offenbar das entsprechende Konstrukt vorgeschlagen und hierfür durch eigene Rechtsanwälte das Wesentliche inhaltlich zuarbeiten lassen.» Es sei offenkundig unwahr, dass Pegel die Stiftungssatzung aus eigenem Antrieb und aus frei zugänglichen Vorlagen entwickelt habe.

Der Generalsekretär der SPD in Mecklenburg-Vorpommern, Julian Barlen, bezeichnete Liskows Aussagen als unwahr. «Christian Pegel hat stets klar gesagt, dass es im Entstehungsprozess selbstverständlich auch Kontakt zu Nord Stream 2 gab. Ihm als CDU jetzt das Gegenteil zu unterstellen, ist regelrecht hinterhältig.» Auch Liskow habe jede Zeile der öffentlich vorliegenden Satzung gekannt und persönlich im Landtag zugestimmt. «Unglaubwürdiger geht es kaum.»

Die Union bekräftigte ihre Forderung nach einem Rücktritt von Ministerpräsidentin Schwesig. «Die Vorwürfe gegen Frau Schwesig erhärten sich. Sollten sie sich bewahrheiten, steht fest: Sie lügt», sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja der «Welt am Sonntag». Schon aus Respekt vor dem Amt müsse sie «endlich zurücktreten».

FDP-Landtags-Fraktionsvize René Domke sagte dem Blatt, «es bestätigt sich nun, dass der Einfluss von Gazprom auf die Errichtung der Stiftung viel größer war als bisher vermutet, und der Arm des Kremls mindestens bis in die Ministerbüros reichte». Die Regierungschefin müsse im Landtag erklären, «was sie wann und von wem wusste, und zwar lückenlos».

Der aus dem Nordosten stammende CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor bezweifelt die Darstellungen der Regierung. «Die rührende Geschichte von Frau Schwesig und Herrn Pegel, dass die Landesregierung das Konstrukt der Stiftung erdacht und Gazprom lediglich um Prüfung gebeten hat, gerät mächtig ins Wanken», sagte Amthor dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). «Die Kernfrage ist doch: War Gazprom der Koch und Schwesig nur die Kellnerin?» Wenn ihr Minister nicht plausibel erklären könne, wie Metadaten einer mit Gazprom verbundenen Kanzlei in Dokumente der Landesregierung kommen, habe Schwerin wohl vollkommen den Überblick über die Lage verloren.

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