Wirtschaftsminister: Trotz Energiekrise moderates Wachstum
Die Spätfolgen der Pandemie, drastisch gestiegene Energiepreise und die Auswirkungen des russischen Krieges gegen die Ukraine haben 2022 die wirtschaftliche Entwicklung auch in Mecklenburg-Vorpommern gebremst. Wirtschaftsminister Reinhard Meyer zog am Dienstag eine durchwachsene Bilanz. «Es gibt Licht und Schatten», konstatierte der SPD-Politiker laut Mitteilung. Trotz der Insolvenz der MV-Werften sei die Industrie neben dem Handwerk und der Gesundheitswirtschaft ein stabiler Anker. «Auch der Tourismus zieht wieder an», stellte Meyer fest. In keinem anderen Bundesland trägt der Fremdenverkehr in so hohem Maße zur Wirtschaftsleistung bei.
Vielen Unternehmen machten Inflation und speziell die Steigerung der Kosten für Strom, Gas und Treibstoffe schwer zu schaffen. Unterbrochene Lieferketten, fehlendes Material und der zunehmende Fachkräftemangel stellten zusätzliche Herausforderungen dar. Dennoch rechnet Meyer für das zu Ende gehende Jahr mit einem moderaten Wirtschaftswachstum. «Der Anstieg des Bruttoinlandsproduktes in Mecklenburg-Vorpommern dürfte im Rahmen der von der Bundesregierung und den Wirtschaftsforschungsinstituten für Gesamtdeutschland prognostizierten Werte zwischen 1,0 und 1,5 Prozent liegen», sagte Meyer. Beim Ausblick auf das neue Jahr hielt sich der Minister zurück.
Im ersten Halbjahr 2022 hatte die Wirtschaft im Nordosten kräftig zugelegt. Ersten Berechnungen zufolge stieg das Bruttoinlandsprodukt im Vergleich zum Vorjahreszeitraum preisbereinigt um 5,2 Prozent. Damit verzeichnete das Land nach Rheinland-Pfalz (6,4 Prozent) den zweithöchsten Anstieg. Nach Analysen des Statistischen Amtes in Schwerin basierte das Wachstum vor allem auf einer Erholung im Gastgewerbe, das Anfang 2021 als Folge des Corona-Lockdowns einen dramatischen Einbruch erlebt hatte. Nach dem Corona-Schock von 2020, als das Bruttoinlandsprodukt im Nordosten um 3,7 Prozent eingebrochen war, gab es 2021 mit 1,7 Prozent wieder ein Plus. Die Stimmung in der Wirtschaft trübte sich infolge des Ukraine-Kriegs aber wieder ein.
«Es wird trotz Corona-Pandemie und Energiekrise weiter investiert, Unternehmen siedeln sich an», stellte Meyer fest. Für 107 Vorhaben der gewerblichen Wirtschaft habe das Land in diesem Jahr staatliche Zuschüsse von insgesamt 46 Millionen Euro bewilligt. Dadurch hätten Investitionen von 176 Millionen Euro realisiert, 360 Arbeitsplätze geschaffen und 3050 gesichert werden können. Als Beispiel für Neuansiedlungen nannte Meyer das Unternehmen Birkenstock, das in Pasewalk Schuhe produzieren und bis zu 1000 Menschen Arbeit geben wolle.
Gesondert ging Meyer auf die MV-Werften ein, die nach dem Zusammenbruch des Kreuzfahrtmarktes und den Zahlungsschwierigkeiten des asiatischen Mutterkonzerns Genting zu Jahresbeginn Insolvenz anmeldeten. «Wir haben für alle drei Standorte in Rostock, Wismar und Stralsund Perspektiven gefunden, trotz eines global insgesamt schwierigen Marktumfeldes in der maritimen Wirtschaft.» Entscheidend sei, dass die Mitarbeiter wieder in dauerhafte, gute Beschäftigung kämen.
Am Standort Rostock wird die Marine künftig Schiffe instandsetzen. Wismar wurde vom U-Boot-Bauer Thyssenkrupp Marine Systems übernommen, und das im Dock liegende Kreuzfahrtschiff «Global One» wird nach dem Verkauf an die US-Reederei Disney Cruise Line fertiggestellt. In Stralsund entwickelt die Kommune einen maritimen Gewerbepark.
Meyer erhofft sich vor allem aber durch die Hinwendung zu zukunftsweisenden Technologien Wachstumsimpulse und neue Arbeitsplätze. Das Land stecke im industriellen Strukturwandel. «Die hervorragenden Voraussetzungen, die wir hier im Land für die Erzeugung erneuerbarer Energien haben, stellen eine einmalige Möglichkeit für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes dar.»
Im Fokus stünden insbesondere klimafreundliche Industrien auf Basis von erneuerbaren Energien und Wasserstoff, erklärte Meyer. Dabei wolle das Land nicht nur Produktionskapazitäten für grünen Wasserstoff aufbauen, sondern diesen auch industriell nutzen und so die Wertschöpfung im Land erhöhen.
Mecklenburg-Vorpommern ist im Ländervergleich ein wirtschaftliches Leichtgewicht. Mit jährlich etwa 50 Milliarden Euro trägt der Nordosten 1,4 Prozent zur volkswirtschaftlichen Gesamtleistung Deutschlands bei. Die Pro-Kopf-Leistung erreicht 71 Prozent des Bundesdurchschnitts und 86 Prozent des schwächsten Westlandes, Schleswig-Holstein.