Schweriner Hilfe für Nord Stream 2 Thema im Bundestag
Die unter maßgeblicher Mitwirkung von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) gegründete Klimastiftung MV bietet weiter politischen Zündstoff. Am Mittwoch wird sich der Bundestag auf Antrag der CDU/CSU in einer Aktuellen Stunde mit der Rolle der Schweriner Regierung bei der Fertigstellung der Ostsee-Erdgasleitung Nord Stream 2 befassen.
Auf ausdrücklichen Wunsch Schwesigs war die umstrittene Stiftung Anfang 2021 gegründet worden, um die Gasleitung unter Umgehung angedrohter US-Sanktionen fertigzustellen. Die Gazprom-Tochter Nord Stream 2 zahlte 20 Millionen Euro in die Stiftung Klima- und Umweltschutz MV ein und finanzierte wirtschaftliche Aktivitäten unter dem Dach der Stiftung mit mindestens 165 Millionen Euro.
«Wir haben hier in höchstem Maße dubiose Vorgänge. Die müssen aufgeklärt werden», begründete der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, am Dienstag die Beantragung der Aktuellen Stunde zu dem Thema. Die Situation atme «wirklich den Geist einer Bananenrepublik». Es sei eine Dimension erreicht, die nicht mehr rein landespolitisch sei, sagte der CDU-Abgeordnete. Es gehe darum, «dass hier eine kriminelle Stiftung gegründet worden ist unter Beteiligung der Politik in Mecklenburg-Vorpommern, die das Ziel hatte, ganz offen Sanktionen zu umgehen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen», sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.
Auch in Mecklenburg-Vorpommern ging die Debatte um die Stiftung und die Rolle der von Schwesig geführten Landesregierung weiter. Finanzminister Heiko Geue (SPD) äußerte sich am Dienstag erstmals umfassend zu der Vernichtung von Steuerakten der umstrittenen Klimastiftung. Dabei verneinte er erneut jegliche Einflussnahme seines Ministeriums auf den Steuerfall. Das Finanzamt in Ribnitz-Damgarten habe die Entscheidung getroffen, 9,8 Millionen Euro an Schenkungssteuer von der Stiftung zu fordern. «Das Finanzamt hat es gemacht und hat sich bei diesem schwierigen Steuerfall natürlich im Rahmen der Fachaufsicht fachlich ausgetauscht, aber ohne politischen Druck», sagte Geue in Schwerin.
Die Diskussionen um die umstrittene Stiftung war in der Vorwoche neu entbrannt, nachdem bekannt geworden war, dass eine Beamtin des Finanzamts Ribnitz-Damgarten Steuerakten der Stiftung verbrannt hatte. Geue hatte bislang nähere Angaben zu dem Fall unter Hinweis auf das Steuergeheimnis verweigert. Am Dienstagmorgen befreite der Stiftungsvorstand die Landesregierung aber überraschend «vollumfänglich und einschränkungsfrei» vom Steuergeheimnis. Die Aussagen Geues danach brachten aber keine Erkenntnisse, die wesentlich über das bereits Bekannte hinausgingen.
Nach seinen Angaben war die Steuererklärung der Stiftung zunächst beim nicht zuständigen Finanzamt Rostock eingereicht und später im zuständigen Finanzamt Ribnitz-Damgarten falsch abgelegt worden. Mitte April sei von der Steuerabteilung seines Hauses dann ein Bericht über den Verbleib der Akten angefordert worden. Zwei Wochen später habe die Beamtin die Vernichtung der Akten selbst bei ihrem Vorgesetzten zugegeben. Laut Geue waren die vermissten Akten erneut angefordert und auf deren Basis der Steuerbescheid ausgestellt worden. Die Stiftung habe daraufhin vor dem Finanzgericht dagegen geklagt, die Entscheidung dazu stehe aus.
Die Opposition im Landtag wirft der Landesregierung vor, nur mit großer Verzögerung und lückenhaft über den Fall informiert zu haben. In einer Sondersitzung von Finanz- und Rechtsausschuss soll Geue nun an diesem Freitag detailliert Auskunft geben.
«Dass das Finanzministerium auf das Finanzamt hinsichtlich der steuerlichen Beurteilung der Stiftung keinen Druck ausgeübt haben will, wirkt nach wie vor nicht glaubwürdig», sagte CDU-Fraktionschef Franz-Robert Liskow. Er warf Geue vor, in einer früheren Sitzung des Finanzausschusses nicht die Wahrheit gesagt zu haben. Der AfD-Abgeordnete Michael Meister sprach von einem «multiplem Versagen der Klimastiftung und der Verwaltungsorgane des Landes». Die Landesregierung habe sich bei der eiligen Gründung der Klimastiftung von Gazprom unter Druck setzen lassen und sei dabei rechtliche Risiken eingegangen.
Constanze Oehlrich von der Grünen-Fraktion bescheinigte Geue mangelnden Aufklärungswillen: «Der Finanzminister und seine Kabinettskollegin Jacqueline Bernhardt wissen seit fast einem Jahr von den vernichteten Akten. Ein öffentliches Interesse wollen sie damals wie heute nicht erkannt haben. An dieser Schutzbehauptung hält der Minister weiterhin fest, um wichtige Antworten schuldig zu bleiben», sagte Oehlrich. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Hagen Reinhold bezeichnete die Reaktionen des Finanzministers als unbefriedigend. «Sie zeigen, dass in der Landesregierung niemand versteht, welche Tragweite dieser Vorfall hat», so Reinhold. Das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der Regierung sei irreparabel beschädigt.
Nach Meinung von SPD-Fraktionschef Julian Barlen hingegen zeigen Geues Ausführungen, dass der durch CDU, Grüne und FDP unterstellte Skandal rund um die steuerliche Veranlagung der Klimastiftung keinerlei sachliche Grundlage habe. Der parteipolitische Oppositions-Sturm im Wasserglas entpuppe sich als komplette Flaute. «Die Steuererklärungen der Stiftung sind nämlich eingereicht und beschieden worden. Unabhängig von der illegalen Vernichtung durch die Finanzbeamtin», betonte Barlen und erinnerte die CDU daran, dass sie als damaliger Koalitionspartner die Stiftungsgründung im Landtag mit beschlossen habe.
Unterdessen wächst der Druck auf die Landesregierung aber weiter. Einem Bericht der «Bild» vom Dienstag zufolge gehörten zum Firmengeflecht, das unter dem Schutzmantel der Stiftung die Gasleitung Nord Stream 2 fertigstellte, auch die Tochterfirma eines US-Spezial-Unternehmens für den Pipelinebau und eine Hamburger Firma. Schwesig hingegen hatte die Gründung der Landesstiftung damit begründet, heimische Firmen, die an der Fertigstellung der Pipeline beteiligt waren, vor drohenden US-Sanktionen zu schützen. Die Pipeline ging wegen des russischen Angriffskriegs gegen Ukraine nicht in Betrieb.
Wie das «Handelsblatt» unter Berufung auf einen US-Diplomaten berichtet, hält die Regierung in Washington Darstellungen, die umstrittene Klimastiftung sei in Eigeninitiative der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern gegründet worden, für unglaubwürdig. Die Gründung der Stiftung sei von der Regierung von Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) «zumindest toleriert» worden.