Räumung von Lützerath
Luisa Neubauer (M) protestiert gegen den Kohleabbau im besetzten Braunkohleort Lützerath.

Räumung geht weiter: Demonstranten kommen nicht mehr durch

Am zweiten Tag der Räumung von Lützerath hat sich die Polizei Zugang zum größten Hof des Braunkohleortes verschafft und zahlreiche Aktivistinnen und Aktivisten herausgeholt. An anderer Stelle gingen Baumfäll- und Abrissarbeiten von RWE weiter. Dem Energiekonzern gehört die Ortschaft. Er will die Gebäude entfernen, um an das unter Lützerath befindliche Kohlevorkommen zu kommen. Das wollen Aktivisten aus Angst vor schwerwiegenden Folgen für das Klima durch die Kohle-Verbrennung verhindern. Unter Demonstranten war am Donnerstag auch die Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer. Auf der politischen Bühne stellt die Räumung von Lützerath die Grünen weiter vor eine Zerreißprobe.

Um ihre Kritik an der Lützerath-Räumung zum Ausdruck zu bringen, fanden sich in etwa vier Kilometern Entfernung nach Polizeiangaben circa 800 Menschen ein. Der Demonstrationszug startete in Keyenberg, einem anderen Ortsteil von Erkelenz, und ging dann in Richtung Lützerath. Neubauer, die unter den Teilnehmern war, warf der Polizei ein unverhältnismäßiges Vorgehen vor. Dass die Polizei die Räumung bei Dunkelheit und bis in die Nacht hinein fortgesetzt habe, sei gefährlich und unverständlich, monierte sie.

Bis nach Lützerath kamen die Demonstranten allerdings nicht. Auf einem Zufahrtsweg in den Braunkohleort wurde eine Gruppe von ihnen eingekreist, darunter Neubauer und Greenpeace-Vorstand Martin Kaiser. Die Demonstranten, die sitzend den Weg blockierten, wurden von Polizisten umstellt. «Wir wollen hier sitzenbleiben, bis wir weggetragen werden», sagte Neubauer der Deutschen Presse-Agentur.

Ein Polizeisprecher sagte, die Teilnehmer seien auf dem Weg zur Tagebauabbruchkante gewesen. Dies sei gefährlich und habe durch die Polizei verhindert werden müssen. Nach Neubauers Angaben hatte die Polizei vereinzelt auch Pfefferspray gegen Aktivisten eingesetzt. Dazu sagte der Polizei-Sprecher, er könne dies weder bestätigen noch ausschließen.

Die Ortschaft wird inzwischen von einem anderthalb Kilometer langen Doppelzaun umgeben, den RWE in Windeseile hatte aufbauen lassen. Damit sollte das Betriebsgelände markiert werden, zu dem Unbefugte keinen Zutritt hätten, sagte ein Konzernsprecher. Zwei Bagger begannen am Donnerstag damit, eine frühere landwirtschaftliche Halle zu zerstören.

Die Nacht zu Donnerstag war weitgehend friedlich verlaufen. Die Polizei holte Aktivisten vom Dach einer Lagerhalle und eine mit den Füßen im Boden einzementierte Frau aus einem Autowrack. Anderswo saßen zwei Frauen, die jeweils einen Arm in ein Fass betoniert hatten. In dem Fenster einer Hütte war ein Zettel zu lesen, auf dem «Achtung festgeklebt» stand. Tatsächlich hatte jemand seine Hände von innen an die Glasscheibe geklebt, wie von außen zu sehen war. Mit solchen Aktionen wollten die Menschen ein Zeichen setzen und die Räumung verlangsamen.

Ein Klimaaktivist, der in einem Baumhaus ausharrte, postete am Donnerstagmittag ein Video auf Twitter, in dem er seine Enttäuschung über die Baumfällarbeiten zum Ausruck brachte. «Es ist bitter, bitter, bitter, dass während der Klimakrise Bäume gefällt werden, damit Braunkohle verbrannt werden kann, was den Planeten zerstört.» Man werde weiter dafür kämpfen, dass Lützerath «unräumbar» sei.

Ab und zu war es in der Nacht und am Vormittag zu Böllerwürfen und zur Zündung von Feuerwerksraketen auf Seiten der Aktivisten gekommen, verletzt wurde niemand. Ein Beamter wurde von einem Farbbeutel getroffen.

Das stürmische und regnerische Wetter machte den Aktivisten zu schaffen. «Wir hoffen, dass der Sturm nicht noch stärker wird», sagte eine Sprecherin der Initiative «Lützerath lebt» am Donnerstagmorgen. Die Situation sei für die Menschen in den Baumhäusern gefährlich. «Im Normalfall kommen sie bei Sturm runter.» Wie viele Aktivisten noch in Lützerath sind, sagte sie nicht.

Für die Grünen wird die Räumung immer mehr zur Belastung: Sowohl im Bund als auch im Land NRW ist die Ökopartei an der Regierungskoalition beteiligt. Mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur hatten im vergangenen Jahr ausgerechnet zwei Grüne eine Vereinbarung mit RWE vorgestellt, die den Weg zum Abbau der Kohle unter Lützerath freimachte und im Gegenzug den Kohleausstieg in NRW um acht Jahre auf 2030 vorzog. Für diesen Deal musste sich die Führungsriege der Grünen scharfe Kritik von Klimaaktivisten, aber auch aus den eigenen Reihen anhören.

Nordrhein-Westfalens Umweltminister Oliver Krischer äußerte sich in «WDR 5» mit Bedauern über die Räumung. «Das ist eine schwierige Zeit, der Umweltminister schläft schlecht, weil mir das weh tut», sagte der Grüne. Er verstehe, dass insbesondere junge Menschen mit dem Klimaschutz-Tempo unzufrieden seien und mehr Anstrengungen forderten. Zugleich verteidigte der Grüne aber die Vereinbarung mit RWE als «gut», da sie «das letzte Kapitel beim Kohleausstieg in Nordrhein-Westfalen schreibt».

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Nyke Slawik äußerte Kritik. «Ich habe mich entfremdet», schrieb sie auf Twitter. «Entfremdet davon, wie manche die Räumung in Lützerath und den Deal mit RWE verteidigen.»

Wie lange die Räumung von Lützerath noch dauert, ist unklar. Ursprünglich hatten Beobachter mit mehreren Wochen gerechnet, angesichts des zügigen Vorgehens der Polizei könnte es aber schneller vorbei sein als zunächst gedacht.

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