NRW-Landesregierung ändert Haushaltspläne in letzter Minute
Neue finanzpolitische Kehrtwende der schwarz-grünen Landesregierung: Nur einen Tag vor den geplanten Schlussabstimmungen im Landtag änderten CDU und Grüne ihre Haushaltspläne am Montag in letzter Minute. Dank überraschend höherer Steuereinnahmen als erwartet hebe die Landesregierung die bereits vom Landtag festgestellte «außergewöhnliche Notsituation» für 2022 wieder auf, sagte Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU). Damit werde auch der bereits eingebrachte zweite Nachtragshaushalt für 2022 zurückgenommen und nicht wie geplant am Dienstag verabschiedet.
Die staatliche finanzielle Notlage werde aufgrund der schlechten Konjunkturprognosen und Steuerschätzungen aber weiterhin für das kommende Jahr 2023 ausgerufen, so der Minister. Die Opposition aus SPD, FDP und AfD sprach von «Chaos» und «Fiasko» im Haushaltsverfahren und bezweifelte die Verfassungsmäßigkeit.
Nach neuesten Ergebnissen vom Wochenende werde NRW nun doch Steuermehreinnahmen in Höhe von 1,2 bis 1,3 Milliarden Euro für 2022 haben, sagte Optendrenk. «Das schließt natürlich aus, dass wir für 2022 eine Störung der staatlichen Finanzlage erklären können.» Dass die Lage sich so verändern würde, sei aber nicht absehbar gewesen. «Alarmierend» sei vielmehr gewesen, dass die Steuereinnahmen im November um 12,1 Prozent eingebrochen seien.
An dem geplanten schuldenfinanzierten Sondervermögen für 2023 zur Bewältigung der Folgen des Ukraine-Krieges in Höhe von bis zu fünf Milliarden Euro hält die NRW-Regierung trotzdem fest. Das Land brauche diese «notwendige Flexibilität», um auf eine Krisensituation 2023 schnell reagieren zu können, so der Finanzminister.
Der Landtag soll am Dienstag auch wie geplant die erste Tranche aus dem Sondervermögen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro beschließen. Daraus sollen rund 50 Maßnahmen von der Armutsbekämpfung bis zu Unternehmenshilfen finanziert werden. Allerdings könne mit der Auszahlung der Hilfen nun erst ab 1. Januar 2023 gestartet werden und nicht schon Ende dieses Jahres, so der Minister. Die Hilfen dürften rechtlich im übrigen nicht aus den Steuermehreinnahmen finanziert werden. Das Steuerplus müsse zur Schuldentilgung im noch unter Pandemie-Bedingungen erstellten Haushalt 2022 eingesetzt werden.
Eigentlich sollte der Landtag am Dienstag zu seiner letzten Sitzung vor Weihnachten zusammenkommen und neben dem Sondervermögen und dem Nachtragshaushalt auch den Haushalt für 2023 verabschieden. Nun beantragte die AfD-Fraktion aber eine dritte abschließende Lesung des Gesetzes über das Sondervermögen. Das bedeutet, dass der Landtag wohl am Mittwoch noch einmal zusammentreten und abstimmen muss.
Er will am Dienstag auch den Haushaltsplan für 2023 verabschieden. Der Etat hat ein Volumen von 94,7 Milliarden Euro. Zunächst hatten CDU und Grüne mehr als 100 Milliarden veranschlagt, weil sie Mittel aus dem zum Jahresende auslaufenden Corona-Rettungsschirm des Landes in den Haushalt überführen wollten. Dies hatte der Rechnungshof aber als verfassungswidrig kritisiert.
SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty sagte: «So ein chaotisches Haushaltsverfahren hat der Landtag noch nicht erlebt.» Mit den Steuermehreinnahmen hätten «problemlos schnelle Hilfen für Menschen und Wirtschaft in NRW finanziert werden können». Doch Optendrenk wolle sie nur zur Schuldentilgung nutzen. In diesem Jahr werde es also «keine Hilfen für Menschen und Wirtschaft in NRW mehr geben.» Schwarz-Grün befinde sich keine sechs Monate nach dem Start in einer «tiefen Regierungskrise».
FDP-Fraktionschef Henning Höne sagte, CDU und Grüne hätten «in diesen historisch kurzen Haushaltsberatungen mit mehreren Kehrtwenden ein bisher nie dagewesenes Chaos angerichtet». Das Verfahren habe Vertrauen schwer beschädigt, sowohl zwischen den Fraktionen im Landtag als auch in der Bevölkerung. «Spätestens jetzt stellt sich die Frage, wer die politische Verantwortung für dieses nie dagewesene Chaos übernimmt.»
Schon der Weg zu dem von CDU und Grünen geplanten Milliarden-Rettungsschirm und Haushalt 2023 war heftig umstritten. Nach massiver Kritik des Landesrechnungshofs hatte die seit Sommer amtierende schwarz-grüne NRW-Koalition zweimal ihr Haushaltsverfahren ändern müssen.
Mit der Feststellung der Notsituation wird es möglich, Kredite über die Begrenzung der Schuldenbremse hinaus aufzunehmen. Dies ist Voraussetzung dafür, dass die Landesregierung das Sondervermögen von bis zu fünf Milliarden Euro bilden kann.