Bürgerdialog mit Dietmar Woidke
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) spricht beim Bürgerdialog in Cottbus.

Leuchtturmprojekte für Cottbus und ein hitziger Bürgerdialog

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke ist sichtlich guter Laune. Sein Kabinett hat in Cottbus getagt und der Regierungschef hat beim Bürgerdialog in der gut gefüllten Oberkirche am Dienstagabend präsentable Nachrichten im Gepäck. Noch vor vier Jahren habe es mit dem Abschlussbericht der Kohlekommission eine riesen Unsicherheit in der Region gegeben, wie die Zukunft nach dem Kohleausstieg aussehen werde. Nun sei die Stadt im Aufbruch, vor allem mit drei «Leuchtturmprojekten», zeigt sich der SPD-Politiker überzeugt.

Woidke zählt die Projekte auf: Das modernste Bahnwerk für die ICE-Instandsetzung mit 1200 Arbeitsplätzen bis 2026 wird derzeit gebaut, in «Teslageschwindigkeit» wie er bemerkt. Diesem Tempo habe sich nach Gesprächen auch die Deutsche Bahn angenommen.

Im Nordwesten der Stadt wächst der Lausitz Science Park unter Federführung der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU), wo bis 2030 etwa 10.000 Menschen arbeiten sollen. Am Projekt Universitätsmedizin mit dem Carl Thiem-Klinikum als Leitkrankenhaus arbeitet ein Aufbaustab. Semesterbeginn für Studierende wäre ab dem Wintersemester 2026/27 möglich. Der Antrag für den Wissenschaftsrat soll im März fertig sein.

Cottbus habe mit den Strukturstärkungsgeldern eine nie dagewesene Chance, sagt Woidke. Prognosen gingen davon aus, dass die Bevölkerung auf mehr als 108.000 Menschen im Jahr 2030 anwächst.

In der Reihe «Kabinett vor Ort» hatte die Landesregierung unter Leitung von Woidke und Oberbürgermeister Tobias Schick (SPD) am Dienstag über aktuelle Themen und gemeinsame Vorhaben gesprochen. Cottbus in der Lausitz gilt als Zentrum des Strukturwandels.

«Wir Lausitzer, ich bin ja Forster, haben ja so eine Angewohnheit: Wir freuen uns am liebsten nach innen», versucht der Regierungschef die Stimmung bei der Veranstaltung weiter aufzulockern. Es gibt viel Beifall - der Abend hat aber erst angefangen. Der Bürgerdialog findet in der Kirche statt, auf deren Vorplatz in den vergangenen drei Jahren der Pandemie immer wieder Tausende gegen die Corona-Politik protestierten, im vergangenen Jahr auch gegen die Energiepolitik. Nicht selten wurden Demonstrationen von der AfD angemeldet.

Das Publikum in der Kirche ist gemischt - unter den Bürgerinnen und Bürgern sind Studierende, Lehrer, Zugezogene, Alteingesessene, Mediziner und Polizisten, die Antworten auf ihre Fragen von der Landesregierung und Oberbürgermeister Tobias Schick (SPD) wollen. Wie geht es mit dem Streckenausbau Richtung Polen voran? Wie geht die Stadt gegen kriminelle Jugendgruppen vor? Wie steht das Land zum krisengeschüttelten RBB? Eine Lehrerin prangert die Bildungspolitik an und fragt, was das Land gegen den Lehrermangel tue.

Grundschullehrer werden künftig in Senftenberg in der Lausitz ausgebildet, erläutert Wissenschaftsministerin Manja Schüle (SPD). Damit werde neben der Universität Potsdam ein zweiter Ausbildungsstandort geschaffen. Oberbürgermeister Tobias Schick (SPD) berichtet von Sicherheitskonferenzen, um der Jugendkriminalität in der Stadt zu begegnen. Zum RBB sagt der Ministerpräsident, das Land werde im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten sowohl die Aufarbeitung als auch das Ziehen von Konsequenzen unterstützen. «Brandenburg braucht einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk.»

Auch den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, unter anderem Richtung Polen hat das Land auf dem Zettel - für mehr Partnerschaft und mehr Arbeitskräfte, wie Woidke erklärt. Bei einem Treffen von Vertretern der Regierungen beider Länder mit den jeweiligen Bahnunternehmen soll an diesem Mittwoch über eine Verbesserung des Zugverkehrs zwischen den Nachbarstaaten beraten werden. Woidke will sich weiter für eine ICE-Anbindung von Cottbus einsetzen. Das große Projekt sei eine Schnellzug-Verbindung Berlin-Cottbus-Görlitz-Breslau.

Vor der Oberkirche steht Jürgen Wirth. Er hat Kerzen angezündet und seine Plakate in Sichtweite aufgestellt. «Impfopfern helfen» steht darauf und «Rücktritt Frau Nonnemacher». «Ich bin der Meinung, dass die letzten drei Jahre der Pandemie auch aufgearbeitet gehören und dass jemand auch dafür Verantwortung übernehmen muss», sagt der Zahnarzt. Er spricht von Einschränkung der Grundrechte ohne Grundlage. Wirth bekräftigt im Raum seine Rücktrittsforderung.

Woidke stellt sich hinter die Gesundheitsministerin. Die Verantwortung für die Corona-Beschränkungen habe die gesamte Landesregierung. Zudem habe es eine bundesgesetzliche Regelung gegeben. «Es ist niemandem leicht gefallen, in diese Bereiche zu gehen, auch weil wir zu wenig wussten», räumt er ein. Er würde heute dieselben Entscheidungen treffen, sagt der Regierungschef und erntet dafür Pfiffe. Es sei um das Leben und die Gesundheit von Menschen gegangen, ergänzt er und bekommt da wiederum lautstarken Beifall.

Und da wären noch Fragen zur Debatte um den vorzeitigen Kohleausstieg, von der sich Woidke genervt zeigt. Die Frage sei, wie Versorgungssicherheit gewährleistet werden könne mit zuverlässigen Energieträgern. Auch müsse der Strom für Haushalte und Wirtschaft bezahlbar sein. «Die Ausstiegsdebatten, die nerven eigentlich nur, (...). Irgendwo muss der Strom ja herkommen in Zukunft.»

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