Leag will Tempo bei Energiewende: Kritik von Umweltschützern
«Man wird immer noch ein wenig wie ein Schmuddelkind behandelt, wir sind als Leag noch nicht genügend sichtbar», sagt Thorsten Kramer. Der Leag-Vorstandschef blickt von seinem Büro über Cottbus Richtung Jänschwalde, wo bei guter Sicht die Türme des Kohlekraftwerks dampfen. Er soll den zweitgrößten Stromerzeuger in Deutschland transformieren - weg von der Kohle hin zur Produktion von grünem Strom. Und Kramer drückt aufs Tempo. Sein Projekt heißt Gigafactory - ein riesiges Energiezentrum aus PV- und Windkraftanlagen auf Bergbaufolgeflächen. «Das Unternehmen wird sich bei vorgezogenem Kohleausstieg in zehn Jahren nur noch überwiegend im Bereich der erneuerbaren und grünen Energien bewegen», sagt er. Ein ehrgeiziger Plan, aber ist der auch umzusetzen?
Die letzten Stilllegungen von Kohlekraftwerksblöcken in Deutschland sind nach bisheriger Gesetzeslage 2038 in der Lausitz geplant. Als mögliches vorgezogenes Enddatum gilt 2035. Der Bund, Nordrhein-Westfalen und der Energiekonzern RWE hatten vereinbart, dass der Kohleausstieg im Rheinischen Revier auf 2030 vorgezogen wird. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte sich für einen früheren Kohleausstieg auch in Ostdeutschland ausgesprochen.
Kürzlich hatte der Leag-Vorstandschef dazu erstmals eine andere Jahreszahl zum Kohleausstieg genannt, die für Aufsehen sorgte. Er könne sich unter bestimmten Voraussetzungen vorstellen, dass im Jahr 2033 die Leag nicht mehr von der Kohle lebt. Bedingungen seien allerdings die Erhaltung der Versorgungssicherheit und die H2-Ready-Kraftwerke, also wasserstofffähige Kraftwerke, die an den vier Standorten in der Lausitz und im Mitteldeutschen Revier am Netz sein müssten, damit die Leag einen Stromanteil von zehn Prozent auf dem Markt halten könne. «Da dies noch nicht der Fall ist, gilt für uns der vereinbarte und gesetzlich verankerte Kohleausstieg 2038», betont Kramer jetzt noch einmal.
Die Energiewende in Deutschland muss allerdings noch deutlich an Fahrt gewinnen. Das belegt etwa ein Monitoringbericht der Bundesregierung zum Ausbau der erneuerbaren Energien im Strombereich 2022. Darin steht, dass die die aktuelle Zubaudynamik «bei Weitem noch nicht ausreicht, um auf den Zielpfad des EEG 2023 einzuschwenken».
Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) hält ähnlich wie die Leag einen früheren Kohleausstieg nur unter bestimmten Bedingungen für machbar. Zuspruch für die Leag-Pläne kommen von der Landeschefin der Grünen, Alexandra Pichl, die es auch begrüßt, dass das Land von Denkverboten zum früheren Kohleausstieg abrücke.
Die Umweltgruppe Cottbus der Grünen Liga sieht ein ganz anderes Problem. Die Gesamtkosten für die Sanierung der Tagebaufolgen seien noch nicht klar. Wenn die Leag dafür mehr zahlen müsse und weniger in neue Geschäftsfelder investieren könne, müssten die Investitionen von anderen kommen dürfen, sagt René Schuster, Braunkohleexperte der Grünen Liga.
Dem Tagebaubetreiber kommt bei seinen Planungen entgegen, dass er große zusammenhängende Bergbaufolgeflächen nutzen kann. Die Flächennutzung sieht Schuster von der Grünen Liga kritisch. Die Bergbaufolgeflächen, von denen die Leag spreche, seien Bergbaugebiete in der DDR gewesen. Bürger hätten damals unter Druck der Staatssicherheit ihre Grundstücke abgegeben, beschreibt er. «Das in eine Machtposition auf einem Grünen-Strom-Markt umzumünzen, ist Wettbewerbsverzerrung.» Deshalb müsse für die Flächennutzung eine Stiftung eingesetzt werden, um anderen Investoren einen gleichberechtigten Zugang zu schaffen.
Der Leag-Vorstand sieht das anders. «Diskussionen und Sichtweisen, wie etwa eine Enteignung der Leag, um Flächen zu sichern, sind kontraproduktiv wenn es um ein gesellschaftlich relevantes Thema wie die Energiewende und den Strukturwandel geht», sagt Kramer.
Bis 2030 sollen auf den Bergbaufolgeflächen mit PV- und Windanlagen mit sieben Gigawatt rechnerisch vier Millionen Haushalte sicher mit ökologischem Strom versorgt werden. Bis 2040 soll das Volumen auf knapp 14 Gigawatt anwachsen. Der PV-Park Bohrau nahe Jänschwalde soll 2024 mit 400 Megawatt in Betrieb gehen. Mit dem Aufbau werde dieses Jahr begonnen, so Kramer. PV-Parks in Boxberg und auf der Deponie Jänschwalde sollen ebenfalls 2024 starten. Kramer zeigte sich sehr optimistisch, dass der erste Giga-PV-Park 2026 ans Netz geht.
Das Energieunternehmen plant etwa 70 Prozent PV-Anlagen und etwa 30 Prozent Windkraftanlagen auf den Flächen. «PV-Anlagen können in drei Jahren realisiert werden, bei Windkraftanlagen braucht der Prozess immer noch durchschnittlich sechs Jahre», erläutert der Leag-Vorstandschef. Die Schwierigkeit sei die Abgängigkeit von Genehmigungsverfahren. «Wir wären schon an viel mehr Schnelligkeit bei Genehmigungen interessiert.» Doch reichen 1,5 Millionen verbaute PV-Module und Windkraft für die sichere Versorgung mit grünem Strom?
Das Unternehmen plant zusätzlich an allen vier Kraftwerks-Standorten in der Lausitz und im Mitteldeutschen Revier Gaskraftwerke, die mit Gas und Schritt für Schritt mit Wasserstoff betrieben werden können. Sie sollen nach dem Kohleende das Rückgrat zur Grundlasterzeugung bilden. «80 Prozent der Genehmigung für den Bau ist abgearbeitet, allein die Pipelines zum Transport von Gas und Wasserstoff fehlen», berichtet Kramer. Da sei die Politik am Zug.
Nach Ansicht von Braunkohleexperte Schuster erweckt die Aussage durchaus den Eindruck, als schaffe die Leag diese Investition nicht aus eigener Kraft. Die Frage sei mit Blick auf Kohleausstieg und Klimawandel nicht, was die Leag für die Energiewende bekomme.