Lützerath spaltet Öko-Partei

Der Konflikt um Lützerath ist auch eine Zerreißprobe für die in Nordrhein-Westfalen mitregierenden Grünen. Das äußerte sich deutlich in ersten Reaktionen nach Beginn der polizeilichen Räumung des niederrheinischen Braunkohledorfs am Mittwoch.

«Die Räumung des Dorfes und die darauffolgende Verbrennung der darunter liegenden Kohle ist in der bestehenden und sich noch weiter verschärfenden Klimakrise falsch», unterstrich der Landessprecher der Grünen Jugend NRW, Rênas Sahin, in einer Mitteilung. Die Grüne Jugend verstehe sich als Teil der Klimabewegung. «Wir werden in den nächsten Wochen weiter laut auf der Straße für Lützerath einstehen und bei den Aktionen rund um das Dorf für wirksame Klimapolitik kämpfen», kündigte er an.

Die Vorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion, Verena Schäffer, lobte einerseits das legitime Engagement der Klimaschützer und sprach ebenfalls von einem gemeinsamen Kampf. «Der Zweck heiligt jedoch nicht die Mittel», mahnte sie. Erste Berichte über Gewalt gegen die eingesetzten Polizeibeamten erfüllten sie mit großer Sorge. «Gewalt ist kein legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung. Zu einem Rechtsstaat gehört die Verfolgung von Straftaten.»

Ihre Co-Vorsitzende Wibke Brems räumte ein: «Der heutige Tag ist kein leichter für uns Grüne und alle für den Klimaschutz engagierten Menschen.» Ebenso wie zuvor bereits NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) führte sie aber erneut rechtsverbindliche Vereinbarungen mit RWE sowie Gutachten zur energiewirtschaftlichen Notwendigkeit des Kohleabbaus unter Lützerath ins Feld.

NRW-Parteichef Tim Achtermeyer sagte: «Die Situation ist nicht einfach. Wir haben uns die aktuelle Lage nicht ausgesucht und hätten uns eine andere gewünscht.» Lützerath hätte auch ohne die Grünen nicht bleiben können. «Aber ohne die Grünen wäre für den Klimaschutz nichts erreicht worden», argumentierte er. «RWE hätte die Kohle unter Lützerath abbaggern dürfen, fünf Dörfer und drei Höfe wären verloren gewesen, rund 500 Menschen hätten zwangsumgesiedelt werden müssen und der Kohleausstieg wäre auch im Rheinischen Revier erst 2038 erfolgt.»

Im ZDF-«Morgenmagazin» hatte die Bundessprecherin der Grünen Jugend, Sarah-Lee Heinrich, offen einen Konflikt mit der Mutterpartei eingeräumt. Viele Menschen in Lützerath seien von den Grünen enttäuscht. «Wir haben eine Schlagzeile nach der nächsten, dass wir unsere Klimaziele in jedem Bereich eigentlich reißen.» Ihr Co-Sprecher Timon Dzienus twitterte aus Lützerath RWE und Polizei «kuscheln und bilden eine unheilvolle Allianz gegen das Klima».

Der Energiekonzern RWE will die unter Lützerath liegende Kohle abbaggern - dafür soll der Weiler auf dem Gebiet der Stadt Erkelenz abgerissen werden. In Lützerath leben seit Monaten Klimaaktivisten in leerstehenden Häusern, sie wollen sich der Räumung entgegenstellen.

Die von den Grünen geführten Wirtschaftsministerien in Bund und Land NRW hatten mit dem Energiekonzern RWE einen auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg vereinbart. Fünf bereits weitgehend leerstehende Dörfer am Tagebau Garzweiler in der Nachbarschaft von Lützerath bleiben erhalten.

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