Kulturministerkonferenz: «Kultur hat sich noch nicht erholt»
Corona, Krieg, Energiekosten - die ohnehin oft nicht sehr stark aufgestellte Kulturszene ist seit Jahren mit unverschuldeten Krisen konfrontiert. Kultur fällt in die Hoheit der Länder. Wie im Bund sind dort zahlreiche Hilfsprogramme aufgelegt worden. Wie es weiter geht, wird auch in der Kulturministerkonferenz besprochen. Neuer Vorsitzender für dieses Jahr ist Niedersachsens Kulturminister Falko Mohrs. «Die Kultur hat sich von der Pandemie noch nicht vollständig erholt», sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Ein Blick auf anstehende Themen.
Zur Lage der Kulturszene
Die Krisen wirken sich laut Mohrs auf Kulturschaffende, Konsumierende und Zuschauerverhalten aus. «Wie also gelingt es uns, die Menschen wieder in die Kultureinrichtungen zurückzuholen? Wie gewinnen wir mit neuen Ansätzen auch eine jüngere Altersgruppe hinzu, die jetzt zwei Jahre ohne Kultur größer und älter geworden ist?» Dies seien Fragen für die Kulturministerkonferenz.
Mit Blick auf die Energiekrise sei die Frage, was sich Menschen leisten wollten und könnten in Zeiten von Inflation und steigenden Lebenshaltungskosten. «Wie bewegen wir Menschen dazu, trotzdem Geld für Kultur auszugeben? Für die Gesellschaft und unsere Demokratie ist Kultur als Ort des gesellschaftlichen Diskurses und Austausches von Ideen und Meinungen lebenswichtig», sagte Mohrs.
In manchen Einrichtungen ziehe die Nachfrage an. Andere passten Teile des Angebots mit Blick auf das an, was die Menschen gerade bewege. Es gebe unterschiedliche Konzepte. «Für das Bedürfnis der Menschen das richtige Gespür zu haben, dies wird einer der zentralen Punkte sein.»
Digitalisierung der Kulturinstitutionen
Erste Studien analysierten, wie sich das Publikumsverhalten verändert habe. «Um neue Zielgruppen zu erreichen, müssen Angebotsformen auch digitaler aufgestellt werden», sagte Mohrs. Dabei gehe es auch darum, Menschen zu begeistern und an Veranstaltungsorte zurückzuholen. «Diesen Weg nutzen schon viele Kultureinrichtungen erfolgreich. Alle, die noch nicht entsprechend aufgestellt sind, können davon lernen!»
«Corona ist an vielen Stellen auch ein Brennglas und ein Katalysator», sagte Mohrs. Zu den anstehenden Aufgaben gehöre Digitalisierung. «Das ist Teil der Veränderung, der Transformation, auf die sich jetzt Kunst und Kultur einstellen müssen - und die ganz neue und spannende Formate hervorbringen wird.»
Staatliche Unterstützung für Kultureinrichtungen
Es ist viel Geld in die Kultur geflossen. «Das ist etwas, was wir auch weiterhin ein Stück weit brauchen werden.» Jenseits der Krisenbewältigung kommen sich Bund und Länder mitunter mit Förderprogrammen in die Quere. Mohrs sieht mehr Abstimmungsbedarf. «Als Länder sind wir gut beraten, immer genau hinzusehen, was auf der Bundesebene passiert, damit wir nicht Gefahr laufen, im Zweifel Förderungslücken zu haben.» Nicht nur mit dem Bund, auch untereinander und mit Kommunen sei Austausch notwendig.
«Wir alle tun gut daran, die Hilfen, die wir haben, so aufeinander abzustimmen, dass sie den Kulturschaffenden und Kultureinrichtungen dabei helfen, dem Publikum gute und passende Angebote zu machen. Da kann die Kulturministerkonferenz eine wichtige Rolle spielen.» Es dürfe nicht um Befindlichkeiten und Eitelkeiten gehen. Die Corona-Krise habe die Akteure enger zusammengebracht. «Alle haben gemerkt, wie groß unsere Verantwortung ist, dass wir Kultur eben auch durch diese schwierige Zeit bringen und vor allem erhalten müssen.»
Bedeutung von Kultur
«Kultur ist essenziell für die Demokratie, weil sie ja immer auch ein Ort ist, wo der Gesellschaft ein Spiegel vorgehalten wird, wo die Gesellschaft sich selbst reflektiert», sagte Mohrs. «Wir haben auch in Europa erlebt, wie fragil unser Gerüst der Demokratie sein kann. Bei der Stärkung der Demokratie spielt Kultur eine wichtige Rolle.» Die Krise habe gezeigt, dass fragile Gebilde härter getroffen würden.
«Ich hoffe und wünsche mir, dass es ein sehr großes Bewusstsein gibt, Kultur als einen essenziellen Teil von Demokratie zu begreifen und dass alle diesen hohen Stellenwert für die weitere Entwicklung unserer Demokratie sehen», so der 38-Jährige.
Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Die von Bund und Ländern getragene wichtigste deutsche Kultureinrichtung gilt als zu behäbig und soll reformiert werden. «Im nächsten Schritt stehen strukturelle Fragen sowie Fragen der künftigen Finanzierung an», sagte Mohrs. Mehr Autonomie etwa für die international bedeutenden Staatlichen Museen der Berliner Stiftung kostet Geld. Bisher ist der Länderanteil gedeckelt. «Auch diese Fragen werden wir vertrauens- und verantwortungsvoll besprechen», kündigte Mohrs an. Was von der Stiftung erwartet werde, hänge auch mit administrativen und finanziellen Strukturen zusammen. Gleichzeitig machte er klar: «Wir haben 16 Länder, die sich in nicht ganz einfachen haushaltspolitischen Situationen befinden. Das werden wir bei den anstehenden Überlegungen berücksichtigen müssen.»
Rückgaben von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten
Mit der Eigentumsübertragung bei den Benin-Bronzen und ersten Rückgaben haben Museen und ihre Träger viel beachtete Schritte getan. Fragen von Provenienz und Rückgaben sind für Mohrs wichtig. «Die Diskussion ist aufgeschlossener, als sie es noch vor 10 oder 15 Jahren war. Wir haben im Zuge der Rückgabe von Benin-Bronzen erlebt, was das auch emotional für alle Beteiligten heißt. Deswegen ist es einfach Teil unserer Verantwortung, der wir uns stellen müssen.»
Mohrs verwies auf gemeinsame Projekte. «Die Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland erzielt seit 2019 immer mehr Wirkung.» Jetzt sei es wichtig, weiter Transparenz zu schaffen. «Wir sind noch nicht am Ende angelangt, es ist ein Entwicklungsprozess. Die Museen, die ganze Gesellschaft stellt sich dem sehr viel offener.»