Räumung von Lützerath
Polizisten schieben einen Klimaaktivisten mit der Schubkarre vom Gelände in Lützerath.

Diskussion um Gewalt und Verletzte bei Lützerath

Nach der Räumung der Siedlung Lützerath für den Braunkohle-Abbau ist eine Diskussion um die Verantwortung für die Ausschreitungen und Verletzten entbrannt. Bei der Räumung wurden nach Polizeiangaben binnen sechs Tagen mehr als 100 Beamte verletzt, davon mehr als 80 am Samstag. Wie viele sich dabei ohne Fremdeinwirkung verletzt haben, sei aktuell noch nicht aufgeschlüsselt, sagte ein Polizeisprecher am Montag.

Aufseiten der Aktivisten und Demonstranten wurde die Zahl der Verletzten seit Beginn der Polizeiaktionen am 8. Januar auf rund 300 geschätzt. Am Samstag seien es zwischen 90 und 120 verletzte Demonstranten gewesen, sagten Sprecher von «Lützerath lebt».

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) bezweifelte die von den Aktivisten genannten Zahlen. «Nach unserem heutigen Kenntnisstand können die Zahlen nicht richtig sein. Aber vielleicht sind die Leute ja auch mit Knochenbrüchen nach Hause gegangen, ohne sich behandeln zu lassen», sagte Reul. Einen Rettungshubschraubereinsatz, wie von den Aktivisten behauptet, habe es nicht gegeben.

Auf der anderen Seite seien auch nicht alle Polizisten von Demonstranten verletzt worden. Viele Verletzungen seien dem schlammigen Boden geschuldet.

«Diejenigen, die die Regeln gebrochen haben, tragen die Verantwortung für alles, was dort passiert ist», sagte Reul. «Es gab eine Absprache. Dann haben sich einige Tausend Störer schon von Beginn an nicht an die Absprache gehalten.» Sie seien in Richtung Lützerath gezogen. «Die Veranstalter haben nicht eingegriffen, sondern zugesehen, wie sich die Situation vor der Polizeiabsperrung zugespitzt hat», sagte Reul.

Die Polizei habe während der Räumung insgesamt 180 Strafanzeigen gestellt. So sei beispielsweise das Auto des Vermittler-Teams der Polizei angezündet worden. Ihm sei auch «völlig unbegreiflich», warum sich Menschen trotz Lebensgefahr an die Abbruchkante des Tagebaus begeben hätten.

«Ich würde mir wünschen, dass Frau Neubauer sich mal von der Gewalt distanziert», sagte Reul. Klimaaktivistin Luisa Neubauer hatte der Polizei einen unverhältnismäßig gewalttätigen Einsatz vorgeworfen.

Die Aktivisten räumten ein, dass die Verletztenzahl zu Beginn der Polizeimaßnahmen nicht gut dokumentiert worden sei und nur geschätzt werden könne. Ein Sprecher sagte, die Schätzung könne sich auch noch erhöhen, denn die Demonstranten seien noch aufgerufen, ihre Verletzungen nachträglich zu melden.

In einem Fall habe eine Klinik die Polizei eingeschaltet, als ein verletzter Aktivist sich dort anonym habe behandeln lassen wollen. Dies habe die Meldebereitschaft nicht gerade erhöht.

Die Polizei nannte keine Zahl verletzter Demonstranten und Aktivisten, bestätigte aber, dass am Samstag neun Mal Demonstranten mit Rettungswagen in Krankenhäuser gebracht worden seien. In Lebensgefahr habe sich aber keiner der Demonstranten befunden. Die Polizei hatte am Samstag Wasserwerfer, Schlagstöcke und Pfefferspray eingesetzt.

In einzelnen Fällen habe man von Amts wegen Strafanzeige gegen Polizisten gestellt, weil sich anhand von Videoaufnahmen der Verdacht der Körperverletzung im Amt ergeben habe, sagte Reul am Montag. Dabei soll es sich um übermäßigen oder in der konkreten Situation ungerechtfertigten Schlagstockeinsatz handeln.

Dass am Samstag Steine und Pyrotechnik auf Polizisten geworfen wurden, bestätigten beide Seiten. Der Sprecher von «Lützerath lebt» dementierte aber, dass Molotowcocktails geflogen seien.

Reul hatte in einer TV-Talkshow über die Geschehnisse bei der Demonstration am Samstag gesagt: «Dann irgendwann wurde es immer enger. Und dann flogen Steine, dann flogen Molotowcocktails, dann flogen Raketen.»

«Die Aussage von Herrn Reul basierte auf Gesprächen mit Menschen, die vor Ort waren, sowie auf eigenen Eindrücken aus Videos und Bildern», sagte ein Sprecher des NRW-Innenministeriums.

«Möglicherweise handelt es sich auch um Pyrotechnik, die gezündet wurde. Das wird gerade geprüft. Im Verlaufe des gesamten Räumungseinsatzes wurden allerdings mehrfach Molotowcocktails von Aktivisten geworfen.» Einer der Molotowcocktail-Werfer sitze nach einem Beschluss des Amtsgerichts Mönchengladbach seit vergangenem Donnerstag in Untersuchungshaft.

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