Bundesrat beschließt Gesetze im Minutentakt
Energiepreisbremsen, Chancen-Aufenthaltsrecht, Energiepauschale für Studierende, Wahlalter 16 für Europawahlen - der Bundesrat hat in seiner letzten Sitzung des Jahres zahlreiche Gesetzesvorhaben gebilligt. Spürbar war in der Sitzung, dass die ständigen Bitten der Bundesregierung um Fristverkürzung bei den Beratungen in der Länderkammer zunehmend für Unmut sorgen.
Zum Auftakt gedachte der Bundesrat der Sinti und Roma, die zwischen 1933 und 1945 von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden. Das seien eine halbe Million Menschen gewesen, sagte sein Präsident Peter Tschentscher (SPD). «Dennoch erkannte die Bundesrepublik Deutschland diesen Völkermord lange nicht als solchen an.»
Die wichtigsten Beschlüsse der Länderkammer im Einzelnen:
ENERGIEPREISBREMSEN
Die Preisbremsen für Strom und Gas kommen. Mit ihnen sollen die Folgen der stark gestiegenen Preise für Verbraucher und Unternehmen abgefedert werden. Für private Haushalte sowie kleine und mittlere Firmen sollen die Bremsen ab März gelten, für Januar und Februar ist eine rückwirkende Entlastung geplant. Die Ministerpräsidenten hatten zuvor Druck gemacht, dass es keine «Winterlücke» bei den Entlastungen geben dürfe. Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) sagte nun, er sei froh, dass es einen durchgängigen Entlastungspfad gebe. Sein Kollege Hendrik Wüst (CDU) aus Nordrhein-Westfalen kritisierte aber, es gebe eine «Gerechtigkeitslücke» bei Öl und Pellets.
ENERGIEPAUSCHALE FÜR STUDIERENDE
Einen zusätzlichen einmaligen Zuschuss von 200 Euro erhalten Studenten und Studentinnen sowie Fachschüler. Die Länderkammer verzichtete auf das Anrufen des Vermittlungsausschusses, trotz großer Differenzen mit dem Bund über die praktische Umsetzung des Vorhabens. Die etwa 3,4 Millionen Betroffenen müssen sich aber weiter gedulden. Wann sie das Geld bekommen, ist nach derzeitigem Stand offen. Es wird immer noch an einer geplanten Antragsplattform im Netz gearbeitet. Arbeitnehmer hatten schon im Herbst eine Einmalzahlung von 300 Euro erhalten, Rentnerinnen und Rentner Anfang Dezember.
JAHRESSTEUERGESETZ
Der Bundesrat stimmte dem Jahressteuergesetz mit umfassenden steuerlichen Änderungen zu. Dieses enthält allerdings keine Erhöhung der Freibeträge bei der Erbschaftssteuer. Bayern scheiterte mit einem Antrag, den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat anzurufen. Das Land fordert eine Regionalisierung der Erbschaftssteuer und höhere Freibeträge - findet dafür aber keine Mitstreiter bei den anderen Ländern. Die Einnahmen aus dieser Steuer fließen allein den Ländern zu. Finanzstaatssekretärin Katja Hessel (FDP) verwies darauf, dass es für eine Erhöhung der Freibeträge eine Mehrheit bei den Ländern brauche. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat eine Erhöhung um 25 Prozent vorgeschlagen.
CHANCEN-AUFENTHALTSRECHT
Das Aufenthaltsrecht wird deutlich reformiert. Gut integrierte Ausländer, die schon jahrelang ohne gesicherten Status in Deutschland leben, bekommen mit dem sogenannten Chancen-Aufenthaltsrecht eine Perspektive. Wer zum Stichtag 31. Oktober 2022 fünf Jahre im Land gelebt hat und nicht straffällig geworden ist, soll 18 Monate Zeit bekommen, um die Voraussetzungen für einen langfristigen Aufenthalt zu erfüllen. Dazu gehören etwa Deutschkenntnisse und die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts. «Mit diesem Gesetz schlagen wir ein neues Kapitel in der Migrations- und Integrationspolitik auf», sagte die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter, in der Länderkammer.
KITA-FINANZIERUNG
Der Bund wird die Länder in den kommenden zwei Jahren mit knapp 3,9 Milliarden Euro bei der Finanzierung ihrer Kitas unterstützen. Der Bundesrat stimmte dafür dem sogenannten Kita-Qualitätsgesetz der Ampel zu. Es schließt an das sogenannte Gute-Kita-Gesetz der Vorgängerregierung an, über das der Bund ebenfalls Geld zur Verfügung gestellt hatte. Eigentlich sind die Kitas Ländersache. Die Mittel sind für Investitionen in die Qualität gedacht, etwa zur Förderung von frühkindlicher Bildung, guter Ernährung oder sprachlicher Entwicklung. Um den Ländern entgegenzukommen, hatte der Bund noch Änderungen vorgenommen. So wird er das Förderprogramm «Sprach-Kitas» - anders als zunächst geplant - bis zum Sommer 2023 weiterfinanzieren.
WAHLALTER BEI EUROPAWAHLEN
An der nächsten Europawahl im Jahr 2024 können sich in Deutschland auch 16- und 17-Jährige beteiligen. Der Bundesrat stimmte der vom Bundestag bereits beschlossenen Absenkung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre zu. Es sei die jüngere Generation, die von zentralen politischen Themen wie Umweltschutz, Klimawandel, Bildung oder sozialer Gerechtigkeit am meisten betroffen sei, sagte die nordrhein-westfälische Familien- und Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne). Ihre Zukunft sei von diesen Themenstellungen geprägt. «Die Jüngeren müssen deshalb auch mitreden und mitgestalten können.»
SANKTIONSDURCHSETZUNG
Die Durchsetzung von Sanktionen der EU zum Beispiel gegen Russland soll verbessert und die Geldwäsche in Deutschland eingedämmt werden. Das vom Bundesrat gebilligte Sanktionsdurchsetzungsgesetz II sieht vor, eine Zentralstelle auf Bundesebene für Sanktionen einzurichten. Und: Künftig können Immobilien in Deutschland nicht mehr mit Bargeld bezahlt werden. Auf diese Weise wurden in der Vergangenheit oft kriminell erworbene Gelder gewaschen. Deutschland ist bei Kriminellen ein beliebter Standort für Geldwäsche. «Hier hat Deutschland Nachholbedarf», sagte Schleswig-Holsteins Finanzministerin Monika Heinold (Grüne).
HANDELSABKOMMEN CETA
Nach dem Bundestag hat auch der Bundesrat der Ratifizierung des EU-Handelsabkommens Ceta mit Kanada zugestimmt. Es soll durch den Wegfall fast aller Zölle und durch gemeinsame Regeln den Handel zwischen Unternehmen in der EU und Kanada erleichtern. Ceta ist bereits seit September 2017 in Teilen vorläufig in Kraft - allerdings nur in den Bereichen, für die allein die EU zuständig ist und nicht die Mitgliedstaaten. Die anderen Teile liegen auf Eis bis die Ratifizierung abgeschlossen ist.
TIERHALTUNG
Für den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung greifen zum neuen Jahr erweiterte Gesetzesregeln. Nach der Zustimmung des Bundesrats müssen Antibiotika-Anwendungen künftig unter anderem auch in Betrieben mit weiteren Tieren wie Milchkühen und Legehennen erfasst werden. Ziel ist, den Einsatz in Ställen generell zu verringern.